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Tim
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 12:13: |
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Ich habe da eine Frage, die mich bis jetzt in die Ferien hinein beschäftigt. Und zwar: Wie finde ich die Funktion zu einer Bedingung wie bspw. "das Wachstum verringert sich jede Stunde um 50%". Ich habe mal ein Schubild gezeichnet mit Beispielswerten, das stark nach einer Logarithmus-oder Wurzelfunktionskurve aussieht, jedoch kam ich rechnerisch nie zu einer genauen Funktion. Ich hoffe, dass mir jemand helfen kann und bedanke mich schonmal im Voraus. |
Zaph (Zaph)
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 14:41: |
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Hi Tim, es soll gelten f '(x) = 2 f '(x+1). Das ist z. B. für f '(x) = 1/2x erfüllt. Durch Integrieren erhältst du f(x) = C - 1/(2x ln 2) (C beliebig). Ich denke, dass das die einzigen Lösungen sind. |
franz
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 16:57: |
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Würde ich als f(0)=0, f'(0)>0, f(x>x1)>f(x1) und f"=-Lf' (hier L=0,5) interpretieren, was wohl auf f(x)=f(oo)*[1-exp(-Lt)] hinausläuft. Gibt's dafür gute Beispiele? F. |
Tim
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 17:52: |
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Die Lösungen verstehe ich nicht ganz. Machen wir doch mal ein Beispiel daraus: Wenn man zur Zeit t=0 von einem 100%-Wachstum ausgeht und 100 Bakterien hat, die sich vermehren, dann hat man doch nach einer Stunde: 100*(1+1/2) = 150 Bakterien und nach bspw. 3 Stunden: 100*(1+1/2)*(1+1/2²)*(1+1/2³) = 211 Bakterien Doch wie bekommt man daraus eine Funktion? |
Fern
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 18:18: |
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Hallo Tim, Dies ist ein vielvorkommendes Naturgesetz. Zum Beispiel Aufladen eines Kondensators, Wärmeübergang, Difusionsvorgänge etc. Die Funktion wird meist in folgender Form geschrieben: f(x)=A*e-x/T Die Konstante T heißt Zeitkonstante. Als x-Werte wird oft die Zeit genommen. Dann schreibt man auch t statt x. (Aber nicht in ein und derselben Gleichung). Die Zeitkonstante kann man an der Grafik ablesen: Es ist der x-Wert des Schnittpunktes der Tangente durch den Ursprung mit der horizontalen Asymptote. Für unser Beispiel: 50 % stündliche Abnahme des Wachstums hat T den Wert 1/ln(2) (Falls man x in Stunden aufträgt). Das folgende Bild ist für A=1,5 und T=1/ln(2)=1,442...
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Fern
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 18:47: |
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Hallo Tim nochmal, Zu deinem Beispiel. Falls zur Zeit t00 schon 100 Bakterien vorhanden sind, so muss man noch diese 100 zur Funktion addieren: f(t)=100+A*(1-e-t/T) Nehmen wir mal an, diese Bakterien sollen auf insgesamt 600 anwachsen. Dann ist unser A=500 (Bakterien dazu). T=1/ln(2)...damit das Wachstum stündlich 50% abnimmt. Die Funktion lautet also: f(t)=100+500*e-t/(1/ln(2)) Mit einem Taschenrechner können wir die Anzahl der Bakterien im Laufe der Zeit berechnen: Anfang: 500 Nach 1 Stunde: 350 Nach 2 Stunden: 475 Nach 3 Stunden: 537,5 Nach unendlich langer Zeit: 600 Wachstum: In der 1. Stunde: 250 dazu In der 2. Stunde: 125 dazu In der 3. Stunde: 62,5 dazu usw. In jeder folgenden Stunde kommen die Hälfte (=50%) weniger dazu. =============================== |
Fern
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 18:51: |
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Tippfehler: In meinem ersten Beitrag (19:18) muss die Funktion heißen: f(x)=A*(1-e-x/T) Fern |
Tim
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 19:50: |
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Vielen vielen Dank für diese superausführliche und verständliche Antwort |
Fern
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 20:22: |
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Es ist wie verflixt: Auch in meinem 2. Beitrag fehlt in einer Funktionsgleichung die 1. Also richtig: f(t)=100+500*(1-e-t/(1/ln(2))) ================================ Die gerechneten Werte sind mit dieser Gleichung ermittelt! |
Tim
| Veröffentlicht am Samstag, den 29. Juli, 2000 - 21:21: |
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Hi Fern, Ich habe nun nochmal lange gegrübelt und frage mich, wie die Formel aussieht, wenn ich nicht wie in Deiner Antwort von der Halbierung des absoluten Wachstums sondern von der Halbierung des prozentualen Wachstums der neuen! Basis ausgehe. Im Beispiel : Anfangswert = 100 nach einer Stunde: 50% von 100 = 150 Bakterien also Punkt1 des Schaubildes (1/150) nach zwei Stunden: Halbierung des prozentualen Wachstums also 25% von der neuen Basis 150 = 187,5 Bakterien also Punkt2 (2/187,5) nach drei Stunden: Halbierung des prozentualen Wachstums also 12,5% von der neuen Basis 187,5 = 210,9375 Bakterien also Punkt3 (3/210,9375) Ich schaffe es einfach nicht dafür die Funktion zu finden. Ich hoffe, dass Du mir wieder so toll weiterhelfen kannst. Vielen Dank |
Zaph (Zaph)
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 11:56: |
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Hi Tim, zu deinem alten Problem: In meinem Beitrag von oben habe ich vergessen, dass auch f '(x) = A/2x die Bedingung f '(x) = 2 f '(x+1) erfüllt. Somit ergeben sich die Funktionen f(x) = C - B/2x (B,C beliebig) als mögliche Lösungen. In deinem Beispiel sollte gelten f(0) = 100, f(1) = 150. Hieraus ergibt sich C = 200, B = 100, also f(x) = 200 - 100/2x. Zu deinem neuen Problem: Hier brauchst du wohl Differenzialgleichungen, um es zu lösen. Fragst du nur aus Interesse, oder handelt es sich um ein "echtes" Problem? |
Tim
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 12:41: |
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Hi Zaph das ist reines Interesse, jedoch bin ich im WG und hatte noch keine Differentialrechnungen. Ich hoffte, dass man das auch ohne lösen kann aber da sieht's wohl düster aus. Wahrscheinlich bekommen wir das erst nächstes Jahr. Apropos: Kann mir hier jemand einen Tipp geben zur Leistungskurswahl, weil ich kann mich immer noch nicht zwischen Mathe- und Physik-LK entscheiden (meine Noten sind in beiden Fächern gleich und auf dem WG muss man ja leider BWL als ersten LK wählen). Danke |
OliverKnieps (Oliverk)
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 14:26: |
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Hi Tim, zu Deiner Kurswahl: Ich würde Mathematik immer der Physik gegenüber vorziehen, das liegt schon alleine daran, dass Mathematik ein relativ entspannender Leistungskurs ist, bei dem alles auf einem jahrtausende alten Fundament steht. In der Chemie stinkt und kracht es, bei den Ingenieuren wird gebastelt und bei den Physikern immer wieder gemessen und experimentiert.... Die Physik behandelt zudem auch einige mathematische Grundlagen so haarsträubend, das selbst mein Physiklehrer kürzlich keine Antwort auf meine Frage wußte, wieso denn jetzt genau hier integriert wird und warum da auf einmal die Konstante weggelassen wird.... Achja, auf dem WG ist BWL nur zweiter und nicht erster LK! (zumindest bei mir in NRW) Viele Grüße Oliver |
Zaph (Zaph)
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 18:11: |
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Hi Tim, Differenzialgleichungen sind noch eine Stufe höher als Differenzialrechnung. Diffferenzialgleichungen werdet ihr im WG wohl überhaupt nicht bekommen. Die Differenzialrechnung befasst sich im weitesten Sinne mit dem Wachstum von Funktionen. Wenn z. B. f(t) die Bakterienanzahl zum Zeitpunkt t ist, dann ist f '(t) der Zuwachs im Zeitpunkt t. Wenn du das graphisch in enem Koordinatensystem als Kurve darstellst (waagerechte Achse die Zeit, senkrechte Achse die Bakterienzahl) dann gibt f '(t) die Steilheit (Steigung) dieser Kurve im Zeitpunkt t an. In meinem Ansatz von oben habe ich also einfach f '(t) = 2 f '(t+1) gesetzt, denn die Kurve soll ja nach einer Stunde nur noch halb so steil sein. Dann habe ich mir überlegt, welche Funktion (Formel) f '(t) diese Bedingung erfüllt. Von der Funktion f '(t) auf f(t) zu kommen ist dann eine Sache der "Integralrechnung". Bei deinem neuen Problem ist die Sache etwas komplizierter. Denn der Zuwachs soll von der Anzahl der Bakterien abhängig sein. In etwa f '(t) = f(t)/2t. Gesucht ist f(t). So etwas nennt man eine "Differenzialgleichung". Man erhält f(t) = A / (B hoch 2-t) für gewisse A, B. Mit A = 225 und B = 9/4 erhältst du f(0) = 100, f(1) = 150. Allerdings ist dann nicht mehr f(2) = 187,5. Beachte: Wenn das Wachtum von der Anzahl der Bakterien abhängig ist, dann wird es nicht so sein, dass in einer zusammenhängenden Stunde das Wachstum konstant bleibt. Es ändert sich nach und nach, weil sich ja die Anzahl der Bakterien ständig ändert. Also hinkt dein Beispiel an dieser Stelle. Ist klar, was ich versuche zu erklären?? |
franz
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 18:18: |
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Weil den Bakterien nur zu jeder Stunde Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann man das Geschehen durchaus auch ohne Differentialgleichung, als schlichte Zahlenfolge, behandeln. Vorher aber sollte die Frage selber klar sein. Der erfragte Sachverhalt ist, nach meiner Auffassung, nicht zweifelsfrei dargestellt. Einerseits wird von einem "halbierten Wachstum" gesprochen wird, andererseits aber, wie selbstverständlich, der halbe Funktionswert addiert. Das paßt nicht zusammen und ich möchte den Fragesteller bitten, die ursprüngliche(!) Aufgabe (möglichst wortwörtlich - so wie im Lehrbuch oder sonstwo) mitzuteilen, vorerst ohne eigene Interpretation. Hallo Zaph, warum ich (und vielleicht auch Fern) bei dem Begriff "Wachstum" instinktiv zu einem anderen Modell gegriffen habe(n): Ansätze, von denen ich bisher las (beispielsweise DGL-Systeme für Wachstumsabschwächungen von Populationen, innere oder äußere Faktoren, Räuber-Beute-Modelle, DARWINsche Selektion und ähnliches) hantieren mit Prozessen ohne Gedächtnis (Markow?), was mir bei kontinuierlichen Naturvorgängen auch "irgendwie" plausibler erscheint. Meine Kenntnisse diesbezüglich sind jedoch nahe Null. F. |
Tim
| Veröffentlicht am Sonntag, den 30. Juli, 2000 - 19:06: |
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Hi Franz Die Aufgabe heißt wörtlich: „Bei einer Bakterienkultur soll davon ausgegangen werden, dass sie sich so vermehrt, dass sich zu jeder vollen Stunde der zur Zeit t=0 gültige prozentuale Wachstumsfaktor halbiert. Die Kultur soll sich von t=0 bis t=1 (t in Stunden) um den Faktor 50% vermehren. Der Bestand beläuft sich zur Zeit t=0 auf 100 Bakterien. a: Ermittle aus den Angaben die Funktion für obiges Wachstum b: Zeige, dass wenn sich der Anfangsbestand verdreifachen soll, t gegen unendlich strebt |
Zaph (Zaph)
| Veröffentlicht am Montag, den 31. Juli, 2000 - 18:36: |
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Hi Tim, diese Aufgabenstellung entspricht wohl eher deiner ersten Interpretation. Also nach t Stunden 200 - 100/2t Bakterien. Teil b verstehe ich aber nicht ganz, der Anfangsbestand verdoppelt sich noch nicht einmal nach beliebig langer Zeit. Hi Franz, zumindest Fern und ich haben doch dasselbe Ergebnis. Und: natürlich muss das Problem eigentlich diskret angegangen werden, denn es gibt ja keine halben Bakterien. Und man kann sich auch beliebige Rekursionsgesetze für das Wachtum ausdenken. Es ist jedoch die Frage, ob diese Gesetze dann noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben, bzw. mit dem, wovon man glaubt, dass es die Wirklichkeit ist. |
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